…im Januar 2019

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Das neue Jahr nimmt bereits Fahrt auf und ich spüre, es will uns mitnehmen in etwas ganz Neues, etwas, das ich nur erahnen und noch nicht wirklich greifen kann. Ich nehme derzeit eine enorm hohe Energie und Schwingung wahr. Einerseits empfinde ich das als sehr schön und mutmachend, andererseits auch als extrem herausfordernd. So konfrontiert es mich in nie dagewesener Kompromisslosigkeit mit alten Ängsten, mit Glaubens- und Verhaltensmustern und fordert mich heraus. Und gleichzeitig nehme ich wahr, wie wir, wie nie zuvor, Unterstützung erhalten, wenn  wir wirklich bereit dazu sind, uns diesen alten Mustern zu stellen.

So erscheint unser derzeitiges Weltgeschehen  auf der einen Seite immer verrückter und wahnsinniger, auf der anderen Seite entstehen weltweit so viele wundervolle mutmachende, kreative Projekte und Ideen, dass ich immer wieder staune, was alles möglich ist. Und ich kann noch einmal tiefer wahrnehmen, wie sehr wir als Menschen Schöpferinnen und Schöpfer unseres Lebens sind und selbst entscheiden, wie wir die Welt und unsere Zukunft sehen und gestalten.

Über den Jahreswechsel haben mich die Bücher über Christina von Dreien sehr begleitet und schon lange hat mich kein Buch mehr so tief berührt wie diese. Christina ist eine junge Frau aus der Schweiz, die mit einem  multidimensionalen Bewusstsein geboren wurde. Mich berührt besonders, wie erdverbunden und natürlich sie mit ihren Begabungen und Gaben umgeht, wie sie Spiritualität mit Materie verbindet und konkrete, wegweisende Projekte in die Welt bringt. Sie zeigt, mir, dass wir von vielen Kindern und Jugendlichen dieser Zeit viel lernen können und eine wesentliche Aufgabe der „Alten“ darin besteht, diese auf ihrem Weg zu unterstützen.

Eine andere Aufgabe, die wir haben, sehe ich darin, unsere schöpferische Kraft und unseren kreativen Selbstausdruck wieder zu befreien. So halte ich den fehlenden Selbstausdruck für eine der größten (wenn nicht die größte) Wunde unsere Zeit. Ursache dafür sind meiner Meinung antrainierte Konzepte von Schuld und Scham. Diese Konzepte sind so tief in unsere Zellen verankert, dass wir sie oft gar nicht mehr bewusst erkennen, so selbstverständlich sind sie uns geworden. Und doch, wenn ich die zahlreichen Bücher und Artikel, die es zu diesem Thema gibt, sehe, erkenne ich, es ist nun an der Zeit, diese alten Muster loszulassen, sie zu entlarven als das, was sie sind.

Hilfreich und befreiend ist hier das gegenseitige Zusammenspiel von Kehle und Becken-/Bauchraum: Das Organ, das zutiefst mit unserer schöpferischen Kraft verbunden ist die weibliche Gebärmutter. Für mich ist es der höchste schöpferische Ausdruck und ein großes Wunder, ein Kind zur Welt zu bringen. Doch auch beim Mann steht das Sakralchakra in engem Zusammenhang mit dem Fluss der Lebensenergie und ist somit Kanal für die kreative Energie des Lebens, für Lebensfreude, Lust und schöpferische Kraft. Die Kehle ist daneben der Sitz unserer Einzigartigkeit und Individualität und unterstützt den authentischen Selbstausdruck unserer Seele.

Ich schreibe dies aus meiner Sicht als Frau, im Bewusstsein , das weltweit noch heute viele Frauen unter „männlicher“ herrschaftserhaltender Unterdrückung und Gewalt leiden. Doch ich bekomme immer mehr mit, dass auch Männer heute unter der Verletzung ihrer weiblichen Seite und dem damit mangelnden Mut zum Selbstausdruck leiden und vielleicht ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

Scham und Schuld sind als blockierende Ängste in unserem Sakralchakra gespeichert. Sie zu erzeugen sind sehr starke Sozialisierungs- und Machtmittel. Gezielt wurden sie eingesetzt, um Herrschafts- und Machtstrukturen zu erschaffen. Vom Mittelalter bis hin zum 2. Weltkrieg endete unser freier Selbstausdruck in Mitteleuropa (an anderen Orten der Welt auch heute noch) nicht selten tödlich. Diese dunkelste Zeit unserer Geschichte ist zum Glück vorbei. Und doch lebt diese Verurteilung in uns weiter, sie ist nur subtiler, denn längst ist sie in unseren Zellen verankert und wir brauchen keinen Zensor mehr von außen, der uns verurteilt. Längst sind wir es selbst geworden, die uns verurteilen und beschämen.

So erinnere ich mich, dass ich sehr häufig in meinem Leben beschämt war, wenn das, was ich zum Ausdruck gebracht habe, nicht konform war mit der Meinung meines Umfeldes. Als Kind äußerte sich dies, indem ich in öffentlichen Räumen und in der Schule immer sehr still war. Freier Selbstausdruck fand nur im sicheren Umfeld, also überwiegend zu Hause, statt.

Mein Frauenvorbild war deutlich gesellschaftlich geprägt und passte so gar nicht zu dem, was ich bei meiner Mutter und in meinem Inneren wahrnahm. So geriet ich in der Pubertät in einen großen inneren Konflikt und ich traute mich noch weniger, mein wahres Selbst zu zeigen. Lange Jahre ließ ich meine innere Kraft und Stärke kaum nach außen leuchten und unterdrückte meine wahren Gefühle. Mehr noch, ich empfand Scham und Schuld für jeglichen Ausdruck von Kraft, für emotionales Verhalten, für Wutausbrüche, für lautes Schreien und Schimpfen. Das Schlimmste war, wenn mein Vater dann sagte: Du bist wie deine Mutter.“ Das war von ihm sicherlich niemals böse gemeint, liebte er doch meine Mutter auch für ihre Kraft und Stärke. Und doch transportierte er so unbewusst das ankonditionierte Frauenbild. Und es wundert mich heute nicht, dass ich als Teenager jahrelang lieber ein Junge sein wollte.

Heute bin ich froh und dankbar, als Mädchen geboren worden zu sein. Der Weg dahin war nicht immer nur leicht, teilweise steinig – und doch möchte ich keinen Teil davon heute missen. Denn er hat mich zu der gemacht, die ich heute bin. Eine Erkenntnis auf diesem Weg mag ich hier noch mit euch teilen, die ich als hilfreich und unterstützend erlebe,  wenn wir beginnen unseren Selbstausdruck zu befreien:

Wenn der Selbstausdruck jahre- oder jahrzehntelang unterdrückt wurde und wir nun beginnen, uns auszudrücken, sind wir darin zunächst oft erst einmal unbeholfen und es geschieht nicht so geschmeidig, wie wir es uns wünschen. Zunächst einmal brennt da einfach nur dieses starke Bedürfnis, sich zu zeigen, sich auszudrücken und es hat noch keinen Kanal und noch kein Gefühl für das richtige Maß.

Dann sind Bewegungen vielleicht ungelenk, wenn wir unseren Körper beispielsweise im Tanzen ausdehnen, wir ecken an oder treten anderen nicht nur sprichwörtlich „auf die Füße“. Vielleicht ist unsere Stimme ist zu laut oder zu leise, wir reden zu viel oder unterbrechen andere und auch im Singen treffen wir vielleicht nicht gleich immer den richtigen Ton. Es ist vergleichbar mit einem Kleinkind, das Laufen lernt und erst einmal immer wieder auf die Nase fällt.

So habe ich erst vor kurzem wieder erlebt, wie es ist, wenn ich übe, meine Bedürfnisse auszudrücken und auch zu äußern, wenn mir etwas nicht gefällt. Ich hatte aus Angst zu lange gewartet, so dass es dann irgendwann, als es nicht mehr zurück zu halten war, aus mir heraus polterte, in einer Form, die härter und verletzender war, als ich es mir gewünscht hätte. Wie heilsam war es in diesem Moment, eine Frau mir gegenüber zu haben, mit der ich ehrlich über mein Empfinden sprechen und die Situation so auflösen konnte.

Wenn wir in diesem Moment von unseren Mitmenschen verurteilt werden, werden häufig die alten Muster von Schuld und Scham wieder angetriggert und wir fallen wieder zurück in alte Muster.

Verzeihen und Vergeben sind hier für mich der Schlüssel und die Basis für ein liebevolles Miteinander und die Grundlage für Frieden, sowohl in unserem Herzen, als auch zwischen Menschen. Und so kam vor kurzem ein Lied zu mir, das mich seitdem begleitet:

Ich vergebe mir, ich verzeihe mir,
nehme von mir alle Schuld
Ich vergebe mir, ich verzeihe mir,
schenk mir Liebe und Geduld.

Ich vergebe dir, ich verzeihe dir,
nehme von dir alle Schuld
Ich vergebe dir, ich verzeihe dir,
schenk dir Liebe und Geduld.

In diesem Sinne mag ich uns allen Mut machen, uns gegenseitig liebevoll und geduldig in diesen Prozessen zu unterstützen und uns für unseren Mut zum Ausdruck wertzuschätzen, auch wenn er noch ungeübt ist. Es ist so ein Geschenk, wenn wir bei der Befreiung unseres Ausdrucks füreinander da und liebevolle und ehrliche Spiegel sind.

So unterstützen wir uns, in unsere wahre Größe hinein zu wachsen, unser Licht wie selbstverständlich strahlen zu lassen und zu erfahren, dass wir erst im verbundenen Sein wirklich vollständig sind. Dann endlich können wir unseren eigenen Platz wirklich einnehmen und uns eingebunden in das Ganze als ein Wir erfahren.

6 Kommentare

  1. Liebe Sabine,
    oh, wie gut kann ich Dich verstehen!
    So habe ich als Kind geglaubt, nur wenn ich mindestens so gut bin in allem, wie die Jungen, würde ich geliebt
    dabei aber brav, fleißig und leise…
    – was für ein Irrtum, denn nur wenn ich so bin wie ich bin
    – mit all meinem Mut
    -meinen vermeintlichen Fehlern und Irrtümern
    -meinem Weinen
    -meinem Lachen
    -meiner Wut, aus der meine Kraft wächst etwas zu verändern
    -meiner Weichheit und Verletzlichkeit
    -und vor allem, wenn ich mich annehme und selber liebe
    werde ich geliebt
    Danke für Deine offenen Zeilen!!!!

  2. Liebe Sabine,

    ich stimme Dir in vielem zu und finde es sehr bedauerlich und widersprüchlich, dass ausgerechnet die Kirche viel zur Vertiefung von Schuldgefühlen beigetragen hat anstatt zu helfen, davon befreit zu werden.
    Dein Lied habe ich beim Singkreis kennen gelernt und gern mitgesungen. Nur mit einer Zeile kann ich mich nicht anfreunden, dass ich selbst meine Schuld von mir nehme.
    Ich kann meine eigenen Muster erkennen, die mich immer wieder in ungute Kreisläufe ziehen. Dafür brauche ich Liebe und Geduld mit mir selbst und von anderen. Das finde ich sehr schön an deinem Lied.
    Und andere können mir helfen, meinen Rucksack leichter zu machen, dabei auch Schuld von mir nehmen.
    Ich kann mir selbst vergeben und verzeihen lernen, wenn ich an anderen schuldig geworden bin, m. E. kann ich mir aber nicht selbst die Schuld abnehmen, dafür braucht es die anderen, den anderen, die mir vergeben oder Gottes Vergebung.
    Verstehst Du, was ich meine?
    Verstehe ich Dich richtig?
    Liebe Grüße, Michael

    1. Lieber Michael,
      herzlichen Dank für deine Zeilen und danke für deine Denkanregungen! So versuche ich hier mal eine Antwort, wie sie zur Zeit in mir wohnt: Für mich ist es immer beides, eben deshalb auch diese beiden Zeilen. Ich kann mir selbst verzeihen und es tut gut, wenn auch andere da sind und dies tun. Für mich ist es ein ziemlich radikaler Akt der Selbstermächtigung, wenn ich mir erlaube, selbst die Schuld von mir zu nehmen. Denn es bedeutet für mich gleichzeitig auch, dass ich nicht mehr bereit bin, mich dem Konzept von Schuld zu unterwerfen, unabhängig von anderen Menschen. Für mich bietet das außerdem die Chance, wirklich in die Liebe hinein zu wachsen und anzuerkennen, dass Gottes Liebe letztendlich in mir wohnt und ich selbst es bin, durch die das Göttliche und somit eben auch „Gottes Vergebung“ wirken kann. So ist dies für mich ein tiefer Akt von Liebe und lehrt mich Demut und Verantwortlichkeit für mich selbst und für alles Leben. Vielleicht mag es dir als Antwort so erst einmal weiterhelfen. Es ist ein Thema, zu dem es sicherlich noch viel mehr zu sagen gibt, doch so mag es nun erst einmal reichen.
      Herzliche Grüße, Sabine

  3. Liebe Sabine,ich habe heute deine Gedanken zum Thema Scham und Schuld gelesen und war davon sehr berührt. Für mich gehört noch (als Folge davon) Selbstbestrafung oder Selbstblockade dazu.Als ich vorhin in der Männergruppe darüber sprach,begann es mich zu schütteln,und es wurde so intensiv, dass ich zu weinen begann. Das Schütteln und vibrieren ließ den ganzen Abend über nicht nach.Ich habe mich durch den Prozess hindurchgeatmet, und starke Energien wahrgenommen.Das alles hatte für mich mit dem Ja zum Leben und zu meiner Lebendigkeit zu tun…
    Ich danke Dir für deinen Text.
    Liebe Grüße Arnulf

    1. Lieber Arnulf, danke für deine Worte! Sie berühren mich sehr und ich freue mich, dass meine Gedanken dazu beitragen konnten, dass sich in dir alter Schmerz transformieren und wandeln kann. Das ist auch für mich ein Geschenk! Herzliche Grüße, Sabine

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